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Atomenergie wird für Stromerzeugung irrelevant - zu teuer und zu langsam

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Münster – Noch gehen zwar jedes Jahr neue Atomkraftwerke ans Netz, doch die Atomenergie hat mittlerweile weltweit einen schweren Stand. Das hat mehrere Gründe.

Im September 2020 hatte der World Nuclear Industry Status Report (WNISR2020) für Aufsehen gesorgt. In dem Bericht werden der Status und die Trends der internationalen Nuklearindustrie dargestellt. Der Niedergang der Atomindustrie scheint danach nur noch eine Frage der Zeit zu sein, auch wenn politische Prestigeprojekte derzeit einen schnelleren Absturz verhindern.

Rückgang: Weltweite Atomkraftwerksleistung sinkt 2019
Die Perspektiven für die Nutzung der Atomenergie sind alles andere als rosig. Im Jahr 2019 sind nach Angaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) weltweit 6 neue Atomkraftwerke mit einer Leistung von 5 178 MW in den Ländern Russland, China und Südkorea neu in Betrieb gegangen, gleichzeitig wurden 9 Atomkraftwerke mit einer Leistung von 7 187 MW endgültig abgeschaltet und stillgelegt (Datenstand: 12.11.2020). Das ist per Saldo ein Rückgang um 2 000 MW Atomkraftleistung. Im selben Zeitraum (2019) wurden laut dem World Nuclear Industry Status Report erneuerbare Ressourcen wie Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von 184.000 MW weltweit neu errichtet und in Betrieb genommen. "Die Kernenergie ist auf dem Markt für Stromerzeugungstechnologie irrelevant geworden", sagte Mycle Schneider, der Koordinator des Berichts. "Gleichzeitig belastet COVID -19 den Sektor zusätzlich." Daran würde auch die Diskussion über kleinere Atomkraftwerke nichts ändern.

Atomenergie: teuerste Form der Stromerzeugung – extrem lange Bauzeiten verhindern Planung
Billiges Erdgas und deutlich gesunkene Kosten für erneuerbare Energien graben der Atomenergie die wirtschaftliche Grundlage ab. Wie das Energieportal oilprice.com in einem Beitrag schreibt, ist die Atomkraft - abgesehen von Gas-Spitzenlastkraftwerken - mittlerweile die teuerste Stromerzeugungs-Technologie der Welt. Die Energiekosten für die Kernenergieerzeugung betragen danach jetzt 15,5 USD pro Megawattstunde (15,5 ct/kWh), verglichen mit 49 USD / MWh (4,9 ct/kWh) für Solarenergie und 41 USD / MWh (4,1 ct/kWh) für die Windkraft. Co-Autor des World Nuclear Industry Status Report Antony Froggatt, Senior Research Fellow am Chatham House in London sagt: „In den letzten zehn Jahren sanken die geschätzten Kosten für Solarenergie im Versorgungsbereich um 89 Prozent, für Wind um 70 Prozent, während die Kosten für die Atomkraft um 26 Prozent gestiegen sind.“

Der Bau neuer Atomkraftwerke ist nicht nur teuer, die Bauzeiten sind teils extrem lang und eine Planung ist kaum möglich. In Frankreich wird beispielsweise das einzige neu in Bau befindliche Atomkraftwerk Flamanville zum Zeit – und Kostendesaster. Ursprünglich sollte das Atomkraftwerk 2012 fertiggestellt werden und 3,3 Mrd. Euro kosten. Aktuell belaufen sich die Baukosten auf 12,4 Mrd. Euro, ein Ende ist nicht absehbar. Nach etlichen Verzögerungen ist die Inbetriebnahme nun für das Jahr 2022 vorgesehen, 10 Jahre nach dem ursprünglichen Fertigstellungstermin und 15 Jahre seit dem Baubeginn. Weitere Ersatz-Atomkraftwerke für die älter und gefährlicher werdende französische Atomkraftwerksflotte sind weit und breit nicht in Sicht.

Weltweite Atomenergie im Jahr 2020 – Politik bremst Absturz ab
Im Jahr 2020 sind bisher (Datenstand 12.11.2020) weltweit insgesamt lediglich vier neue Atomkraftwerke (Vereinigte Arabische Emirate, Belarus, Russland und China) mit einer Leistung von 4 521 MW ans Netz gegangen, fünf alte Atomkraftwerke mit einer Leistung von 4 284 MW wurden in diesem Jahr endgültig stillgelegt. Angesichts der alternden Atomkraftwerksflotte, die zu immer mehr Stilllegungen führt, ist eine Trendwende zu einem Wachstumsmarkt nicht in Sicht.

So hält beispielsweise auch der Abwärtstrend der in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke in den USA unvermindert an. Allein bis 2025 sollen weitere 11 US-Atomkraftwerke endgültig stillgelegt werden. Die Realisierung neuer Atomkraftwerke am freien Markt ist unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach Einschätzung des IWR-Instituts derzeit kaum mehr möglich. Erst im September 2020 hatte sich deshalb der japanische Hitachi-Konzern aus dem britischen Atomprojekt Horizon zurückgezogen. "Allenfalls staatliche und politisch motivierte AKW-Prestigeprojekte wie der Bau des russischen Atomkraftwerks in Belarus werden noch realisiert und sorgen dafür, dass der Markt für Atomkraftwerke nicht gänzlich implodiert", so IWR Direktor Dr. Norbert Allnoch.

© IWR, 2020


13.11.2020

 



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