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Gasversorgung im Winter 2022/23 - reichen die Gasmengen für Deutschland aus?

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Münster – Die Energieversorgung in Deutschland erlebt einen beispiellosen Wandel. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine nutzt Russland gegen Deutschland vor allem die Gasversorgung als politisches Druckmittel. Der Wettlauf zwischen russischen Lieferkürzungen und deutschen Ersatzbeschaffungen prägt noch immer das laufende Geschehen.

Deutschland hat sich in der Vergangenheit in eine hohe Abhängigkeit von fossilen Energien (Kohle, Gas, Öl), aber auch Uran, aus Russland begeben. Jetzt die Kehrtwende: nach dem Ende des Bezugs von russischer Kohle und russischem Öl ist der Umbau der Gasversorgung in vollem Gange. Die Gasversorgung für den kommenden Winter scheint trotz des russischen Lieferstopps gesichert zu sein.

EWI-Analyse: Für einen normalen kalten Winter reicht das Gas – Gassparen weiter nötig
Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat eine Analyse zur Gas-Versorgungssicherheit in Deutschland veröffentlicht. Die Anstrengungen der vergangenen Monate, Gas zu sparen, Flüssiggas auf dem Weltmarkt zu beschaffen und die europäischen Speicher zu befüllen, haben bereits zu einer Verbesserung der Versorgungssituation in Europa geführt, so das EWI. Dies reicht für einen normalen kalten Winter 2022/23. Dennoch sind weitere Anstrengungen auf der Nachfrageseite notwendig, um sowohl im kommenden Winter - im Falle unterdurchschnittlicher Temperaturen - als auch im darauffolgenden Winter 2023/2024 die Gasversorgung zu gewährleisten. Dies erfolgt unter der EWI-Annahme, dass es keine Gaslieferungen aus Russland gibt, weder durch Nord Stream 1 noch durch Transitländer wie die Ukraine oder die Türkei.

Wetter und Gassparen entscheidend – Anstrengungen für Winter 2023/24 notwendig
In der EWI-Analyse wird ein Szenario untersucht, in dem ab dem 1. September 2022 keine Gaslieferungen mehr aus Russland kämen und die angekündigten schwimmenden Flüssiggasterminals in Deutschland, den Niederlanden und Italien pünktlich in Betrieb genommen würden. In diesem Fall reicht das Gas für Deutschland bei einem durchschnittlich kalten Winter, allerdings würden die Gasspeicher dann auf ein historisches Minimum von 13 Prozent entleert werden, so das EWI. Um während der Einspeicherungssaison 2023 die Gasspeicher wieder auf die Zielwerte auffüllen zu können, bedarf es dann allerdings zusätzlicher Maßnahmen.

Gaspipelines als politisches Druckmittel: Nord Stream 1, Nord Stream 2 und Jamal fallen aus
Während Länder wie Japan wegen fehlender Pipelines bisher ausschließlich Flüssiggas nutzen, ist das russische Pipeline-Gas für Deutschland vor allem über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, die Jamal-Pipeline über Belarus und Polen sowie die ukrainische Transgas-Pipeline geflossen. In der ersten Phase hat Gazprom schon ab Ende 2021 die Jamal-Pipeline nicht mehr oder ganz selten für den Gastransport von Russland nach Deutschland genutzt, vielmehr floss das Gas aus den deutschen Gasspeichern nach Polen.

In der zweiten Phase russischer Lieferkürzungen rückt die Gaspipeline Nord Stream 1 mit einer täglichen Leistung von 165 Mio. m³ Erdgas in den Fokus. Fünf Gasturbinen für je 33 Mio. m³ sowie eine Ersatzturbine stehen in der Verdichterstation Portowaja für den Pipeline-Betrieb zur Verfügung. Eine weitere, extra aus Kanada beschaffte Gasturbine steht in Deutschland auf Abruf bereit, wird aber von Russland nicht angenommen. Nachdem zunächst noch einmal offiziell technische Mängel (zuletzt eine Öl-Leckage) für die Abschaltung der letzten Gasturbine vorgeschoben wurden, hat der russische Präsident Wladimir Putin die Zurückhaltung aufgegeben und zuletzt die westlichen Sanktionen als Grund genannt. Laut Wirtschaftsminister Habeck erhält Deutschland derzeit kein Gas mehr aus Russland.

Die umstrittene und nicht zertifizierte Gaspipeline Nord Stream 2 kann laut Putin „wenn nötig eingeschaltet werden“. Eine reine „Einschaltung“ sagt jedoch nichts über Dauer und Menge der Gaslieferungen aus. Nord Stream 2 besteht aus zwei Pipelinesträngen. Gazprom hatte bereits im Mai 2022 mitgeteilt, dass einer der beiden Stränge nun für die innerrussische Versorgung bis 2028 vergeben ist und nicht mehr für einen Gasexport zur Verfügung steht.

Gasspeicher in Deutschland zu fast 90 Prozent gefüllt
Trotz des Ausfalls russischer Gaslieferungen füllen sich die Gasspeicher in Deutschland und in der EU deutlich schneller als in den vergangenen Jahren. Der Füllstand der EU- Gasspeicher beträgt 82,77 Prozent, in Deutschland 86,95 Prozent (Datenstand: 07.09. 2022, Aktualisierung: 09.09.2022). Fünf EU-Länder (Portugal, Polen, Belgien, Schweden, Dänemark) haben die Speicher zu über 90 Prozent gefüllt, weitere sechs Länder (Deutschland, Kroatien, Tschechien, Italien, Slowakei, Spanien) zu über 80 Prozent.

Das Gas für Deutschland kommt derzeit vor allem über Belgien, Niederlande und Norwegen. In Kürze wird zusätzlich eine Gaspipeline zwischen Deutschland und Frankreich aktiviert, der Probebetrieb läuft bereits. Des Weiteren sollen kurzfristig zum Jahreswechsel 2022/23 zwei staatlich organisierte schwimmende Flüssiggasterminals (Wilhelmshaven, Brunsbüttel) und ein privates Terminal, „Deutsche Ostsee“ der Deutsche Regas GmbH & Co. KGaA, in Lubmin / Ostsee in Betrieb gehen. Weitere Terminals sind geplant, die ab Frühjahr 2023 einsatzbereit sind. Am Ende wird sich erst im Frühjahr 2023 am Füllstand der Gasspeicher zeigen, ob Sparmaßnahmen reichen, das Wetter mitgespielt und die Gas-Ersatzbeschaffung funktioniert hat.

© IWR, 2022


09.09.2022

 



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