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Scheindebatte: Warum stromproduzierende Atomkraftwerke in der Gaskrise nicht weiterhelfen

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Münster - Die FDP-Fraktion im Bundestag fordert einmal mehr eine Verlängerung der Laufzeiten für die drei noch stromproduzierenden Atomkraftwerke in Deutschland über das Jahresende 2022 hinaus. In der "Welt" kritisiert der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Lukas Köhler indirekt die ablehnende Haltung der rot-grünen Koalitionspartner und fordert eine "ideologiefreie Debatte".

Ob nach der geplanten Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 bis zum 21.07.2022 anschließend weiterhin russisches Gas fließt, ist die große unbekannte Preisfrage. Ein völliger Gaslieferstopp über diese Pipeline würde nach dem Ausfall der Jamal-Pipeline, der reduzierten Gaslieferung durch die Ukraine (rd. 40 Mio. m³ pro Tag) und fehlender Lieferalternativen auch Russland selbst hart treffen. Die maximale russische Verwirrungs- und Verunsicherungsstrategie wirkt aber auch so schon.

Stromdebatte um Kernenergie – reine Geisterdebatte
Die erneut geforderte weitere Nutzung der Atomkraft in Deutschland entpuppt sich als reine Scheindebatte. Alle großen deutschen Energieversorger wie RWE, Eon oder EnBW haben den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bereits kategorisch ausgeschlossen. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deuschland (rnd) hatte eine Sprecherin von Preussen Elektra (Eon) zudem erklärt, dass allein die Lieferung neuer Brennstäbe lange dauere und das Uran zuletzt hauptsächlich aus Kasachstan und Russland bezogen wurde.

Politisches Ablenkungsmanöver – Stromsektor ist nicht das Problem
Zudem wird mit dieser Phantomdiskussion erneut der Stromsektor in den Vordergrund gerückt und von der Wärme- bzw. Gaskrise abgelenkt. Das eigentliche Kernproblem ist die industrielle Gasversorgung sowie der Wärmesektor, d.h. die Warmwasserversorgung und das Heizen mit Gas im Winter.

Atomkraftwerke produzieren zudem Strom in der Grundlast und sind unflexibel, Gaskraftwerke puffern im Strombereich wegen der hohen Flexibilität die Spitzen ab. Des Weiteren sind die derzeit noch aktiven - wärmegeführten - Gaskraftwerke häufig Kombianlagen, die vorrangig Wärme für das Fernwärmenetz erzeugen und zusätzlich Strom. Der Betrieb dieser Gaskraftwerke ist standortgebunden. Das bedeutet, dass die GuD-Kraftwerke wegen der Notwendigkeit Wärme zu erzeugen auf Gas angewiesen sind und bleiben, d.h. nicht einfach gegen einen anderen Kraftwerkstyp wie Kohle-, Öl- oder Atomkraftwerk ausgetauscht werden können.

Stromversorger ändern Kraftwerkseinsatz: “Fuel switch“ schon längst im Gange
Das verbleibende effektive Gas-Einsparpotenzial in der Stromerzeugung ist überschaubar. Die Stromversorger in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2022 den "fuel switch", d.h. die Umstellung von Gas auf andere Energieträger schon längst eingeleitet, auch ohne Gesetz. Stand heute (11.07.2022) wurden in Deutschland seit dem 01.01.2022 mit Steinkohlekraftwerken rd. 31 Mrd. kWh Strom die Netze eingespeist, das ist deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum mit 22,33 Mrd. kWh. Im Gegenzug reduzierte sich die Stromerzeugung aus Gas bereits von 31 Mrd. kWh im Vorjahreszeitraum 2021 auf aktuell (2022) nur noch 26,8 Mrd. kWh.

Im Falle einer tatsächlichen und derzeit noch nicht vorliegenden Gasmangellage, d.h. wenn für genügend Strom das Gas nicht ausreichen sollte, will die Bundesregierung dann den Stromversorgern die Möglichkeit einräumen, zeitweise auf flexible Öl- und Kohlekraftwerke als Ersatzkraftwerke umzustellen, die beispielsweise bereits in der Reserve sind. Der Grund ist naheliegend: Für Steinkohle und Öl gibt es einen Zugang zum Weltmarkt, ohne russische Abhängigkeit.

© IWR, 2022


11.07.2022

 



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